Was macht Paris lebenswert oder auch nicht?

Alles zum Thema Leben, Arbeiten, Studieren etc. in Frankreich. (Keine Annoncen)
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Yoyo
Beiträge: 718
Registriert: Freitag 12. August 2005, 09:04
Wohnort: Südwest-Frankreich

Dienstag 29. März 2016, 19:20

Ich finde Paris toll, um es mal zu besichtigen, leben würde ich da nie wollen (wie in jeder anderen Großstadt auch nicht).

:wink:
Elwedritsch
Beiträge: 25
Registriert: Dienstag 9. Februar 2016, 18:12
Wohnort: Wolfen

Mittwoch 30. März 2016, 08:28

Hallo Freunde,
ich denke, so wie Yoyo wird es vielen gehen. Auch ich finde Paris großartig, gewaltig und toll. Die Architektur ist einfach grandios und das an fast jeder Ecke. Das führte auch regelmäßig bei meinen Besuchen zu wunden Füßen.

Ist man an einer Sehenswürdigkeit, sieht man schon an der nächsten Ecke die Nächste. Da lohnt der Fußmarsch durch die Metro nicht. Also läuft man hin und von dort aus sieht man schon die nächste Sensation, dann geht man mal endlose Treppen hinaus, schlendert durch einige pitoreske Gassen, die Treppen wieder runter, dann findet man einen Kanal, an dem man entlang geht, oder viele enge Gassen, Schaufenster an Schaufenster aneinandergereiht und ausgestellt sind Fleischspieße oder sich über einem Grill drehende Spanferkel. Wer weiß, was man um die nächste Ecke entdeckt. Oder man steht vor einem großen Triumpfbogen, läuft die " Gasse " hinunter und trifft auf das Trokadero, man tritt zwischen den beiden Flügeln hindurch, endlose Treppen, nicht enden wollende Wasserspiele, ewig lange abfallende Rampe, noch schnell über die Straße und nochmal 4oo m und schon steht man vor dem Eiffelturm. Keine Lust auf Schlangestehen, also noch über den Acker zur Militärakademie oder der Seine entlang bis diese Doppelbrücke kommt, die in fast jedem franz. Krimi überquert wird.

Noch auf dieser Seite einen Pastis wie damals als Schüler und dann rüber, unter der Metro und immer das Eckhaus auf der anderen Seite im Blick, wo man den letzten Tango tanzt oder sich über die Vielseitigkeit von Butter wundert. Noch zwei Querstraßen weiter und dann rechts ab noch vor dem runden Radio-France-Gebäude wo die wiedersacher von Alain ein böses Loch in der Wohnungstür hinterlassen haben, schwenk nach rechts, dann links und schon ist man in einem schönen ruhigen Wohnquartier.

Und am nächsten Tag tuen einem die Füße weh, was für eine Überraschung. Alles ist so gewaltig hier, die klassischen Fassaden und die Denkmäler, die Geschichte die um jede Ecke lauert.

Selbst der schnödeste aller Straßentunnel wird zum Wallfahrtsort, auch wenn allgemein bekannt ist, dass sie in dieser Nacht nicht starb, sondern jetzt zusammen mit Falco auf einer Südseeinsel lebt in einer ehem. Fischerhütte direkt am Strand.
Aber das ist nur die Welt der Touristen.

Die Welt der Bewohner ist eine andere oder sagen wir lieber viele andere, weil unterschiedlich, je nachdem, wer man ist und wo man wohnt. Auf jeden Fall ist es eine andere Welt, eine Welt der Nachbarschaft, der Parks, der Kindergärten und Schulen, der Lebensmittelmärkte und abendlicher Treffpunkte. Da werden durch Gewohnheit die Dreckecken und gruseligen Straßenzüge gleich neben Sacre Coeur ebenso ausgeblendet wie die Oper vom Garni und die Touristenmasseninvasion zu Ostern, an den Feiertagen und im Sommer mit all ihren Nebeneffekten.
Ich verstehe gut, dass man dort nicht leben will, solange man noch nicht Bewohner ist. Obwohl sich immernoch viele dafür entscheiden. Aber ich bin mir sicher, dass die meisten die dort wohnen sich nicht vorstellen können woanders hinzuziehen.
Dies schrieb einer, der in der wunderbaren Stadt Bitterfeld-Wolfen wohnt. Das er sich auch nicht hätte vorstellen können, hätte man ihn vor 1994 gefragt.

Viele Grüße
Wolfgang, der ganz wuschig wird, wenn er von sich in der dritten Person redet, hihi
Napoleon51
Beiträge: 612
Registriert: Freitag 21. Juli 2006, 17:27
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Mittwoch 30. März 2016, 15:50

Danke Wolfgang, sehr schön geschrieben und für mich gut nachvollziehbar!
pk8
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Registriert: Dienstag 7. Mai 2013, 11:13

Mittwoch 30. März 2016, 22:01

Interessanter Thread, wünschenswert wäre es allerdings gewesen, auch im Eröffnungspost eininge Antworten auf die gestellte Frage zu bekommen ;)

Paris.
Wo soll man da anfangen? Wo aufhören? Paris ist noch interessanter als dieser Thread.

Frankreich ist ein sehr Hauptstadt fokussiertes Land, was dazu führt, dass sehr viele kleine und große Unternehmen einen/ihren Standort in Paris haben und somit sehr viele Menschen ihres Berufs wegen nach Paris kommen.
Außerhalb von Paris erfreuen sich die Bewohner oft keiner allzu großen Beliebtheit, wobei viele Pariser gar nicht aus Paris stammen sondern im Studium oder zum Arbeiten in die Stadt gekommen sind, ihre Wurzeln aber in anderen Regionen Frankreichs haben. Aus diesem Grund gibt es auch ein ganze Reihe von Menschen, die es sich sehr wohl vorstellen können Paris wieder zu verlassen, bedingt durch ihre ganz eigenen Vor- und Nachteilslisten.

Als Tourist gibt es in Paris unglaublich viel zu entdecken und zu erleben. Im Grunde ist für jeden Geschmack etwas dabei. Architektonisch, geschichtlich, kulturell, Paris hat Highlights in jedem Bereich und selbst nach Jahren kann man immer wieder Schätze entdecken, die, selbst wenn man schon oft daran vorbei gekommen ist, lange im Verborgenem geblieben sind.

Das touristische Paris ist aber nicht gleich zu setzen mit dem Paris der Pariser, auch wenn es immer wieder Überschneidungen gibt.
Paris kann laut, kribbelig, pulsierend sein, Paris ist aber auch ruhig, hat familiär geprägte Viertel, in denen außer einigen ansehnlichen Häuserfassaden wenig Unterschiede zu anderen Städte bestehen, wo die Kinder in die Schule gehen, sich nachmittags im Park treffen, die Eltern berufstätig sind, wo man in der Woche häufig weniger Menschen auf den Straßen sieht und am Wochenende in die Restos geht.
Besonders heraus stechend sind die Überschneidungen dieser Welten, wenn Orte komplett ihr Gesicht wechseln, wenn am Place de Vosges die Touristenmassen abgezogen sind, die Bistros zu haben, der Park geschlossen ist und jeudi noir eine Party im besetzten Haus veranstaltet oder wenn die Sonne untergeht und rund um den Eiffelturm nur noch Geschäftsreisende ein abendliches Bier suchen.

Das Leben in Paris hat grundsätzlich einen Nachteil, es ist sehr teuer. Die Mieten sind hoch, sehr hoch in den nobleren Vierteln und verhältnismäßig hoch in den normaleren Wohnvierteln. Immer häufiger streben die großen Konzerne Kooperationen an, um Wohnraum auch für die weniger gut bezahlten Mitarbeiter bezahlbar zu halten.

Abgesehen davon, unterscheidet sich das Leben in Paris wenig vom Leben in anderen Städten.

Ich persönlich mag die lebensbejahende Stimmung, die in Paris vor allem im after-work-life zu erleben ist. Begegnungen und Gespräche bei einem Glas Wein nach Feierabend, die Gemütlichkeit, die sich dann in den Straßen, Cafes und Bistros breit macht.

Fernab der Arbeit gibt es einiges Liebenswertes in Paris.
Sich an einem sonnigen Tag am Square St. Medard mit frischem Obst einzudecken, sich durch die Rue Mouffetard treiben zu lassen und dann mit frischen Obst am Place Contrescarpe zu verweilen, das muntere Treiben vorbei ziehen zu lassen.
Ein pique-nique im Montsouris oder Buttes-Chaumont. Brunch/Lunch/Dejeuner auf dem marche des enfants rouges.
Die Abende am st Martin sind zwar kein Geheimtipp mehr, aber dennoch oftmals sehr unterhalsame Stunden.
Wer noch nie im 13. unterwegs war kann dort auf jeden Fall auch vieles entdecken und vor allem entlang der av de Choisy gibt es einige sehr authentische Restos.
Wer eine Auszeit an den überlaufenden Ufern der Seine sucht, findet auf jeden Fall kleinere Köstlichkeiten in der r Jean Nicot und kann die an der Seine verzehren.

Ich habe eindeutig mein Herz an Frankreich im Allgemeinen und an Paris im Speziellen verloren. Ich habe mich mit Ausnahme der Alpenregionen durch die meisten Zipfel von Frankreich treiben lassen, aber Paris war ist und bleibt immer etwas besonderes.
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